Harry Potter in London

Harry Potter in London: Die britische Hauptstadt wartet nur darauf, von Fans des Zauberlehrlings entdeckt zu werden. Wir haben uns in London mit einem Profi-Guide an dessen Fersen geheftet. 

Alex trägt einen Schal der Zauberschule Hogwarts um den Hals und hat einen Zauberstab in der Hand. Er wird umringt von einem halben Dutzend Harry Potter-Fans, die an diesem Sonntagnachmittag zum vereinbarten Treffpunkt gekommen sind. Von der Themse her weht ein kalter Wind, und eigentlich könnte Alex doch die dunklen Regenwolken über der Skyline der City of London mit seinem Zauberstab einfach wegzaubern. Doch Alex ist ein Muggle. So werden in den Harry Potter-Büchern der Autorin JK Rowling die Normalsterblichen genannt, die keine Zauberkräfte haben. Dem Spaß tut das keinen Abbruch. Alex hat seinen Gästen versprochen, ihnen das London der Zauberer und Hexen zu zeigen. „Seid Ihr bereit“, ruft er, und seine Gruppe setzt sich in Bewegung. Auf geht´s: Harry Potter in London.

Vor über zwei Jahrzehnten feierte der erste Harry Potter-Film „Der Stein der Weisen“ Kinopremiere. Das erste Buch von JK Rowling kam schon im Jahr 1997 heraus. Die Potter-Saga verkaufte sich mehr als 500 Millionen Mal, 33 Millionen Exemplare gingen allein im deutschsprachigen Raum über die Ladentische. Der Hype um den Zauberlehrling ist seitdem ungebrochen. London ist seit jeher eine Pilgerstätte für Hogwarts-Anhänger, denn in der Innenstadt wurden viele Filmszenen gedreht. Die kleine Gruppe von Alex wird sich auf der „Tour for Muggles“ (dt.: „Tour für Muggles“) für zwei Stunden an die Fersen des berühmten Zauberlehrlings heften. www.tourformuggles.com

Eine Harry Potter-Tour hat dabei den Vorteil, dass man nicht nur einen Teil des magischen Londons kennenlernt, sondern auch noch einige Highlights im Zentrum der Stadt zu sehen bekommt. Die erste Station auf dem Weg zu den Drehorten der Harry Potter-Filme ist Leadenhall Market. Es ist nicht schwer zu verstehen, warum sich die Filmcrew gerade in den Markthallen eingerichtet hat. Die Anfänge von Leadenhall gehen auf das 14. Jahrhundert zurück. Unter den Fundamenten aus dem Mittelalter liegt das noch viel ältere Stadtzentrum aus der Zeit der alten Römer; über den Markthallen wölbt ist sich eine Glas- und Stahlkonstruktion aus dem 19. Jahrhundert. Im vergangenen Jahr feierten die Markthallen ihren 700. Geburtstag.

In die Verkaufsstände von einst sind inzwischen Buchläden, Beauty-Salons und teure Modegeschäfte eingezogen. Die Angestellten aus dem nahe gelegenen Finanzdistrikt treffen sich nach Feierabend in einer der Weinbars. Alex steuert auf den Eingang eines unscheinbaren Optikergeschäft in der Bull’s Head Passage zu. Die meisten Passanten gehen achtlos daran vorbei. Doch für Harry Potter-Fans ist der Hauseingang die erste Attraktion an diesem Nachmittag. Im Film „Harry Potter und der Stein der Weisen“ diente er als Eingang zum Zauber-Pub „Zum Tropfenden Kessel“ in der berühmten Winkelgasse.

Während einige in der Gruppe noch schnell ein Foto machen, vertreibt Alex den anderen Gästen die Zeit mit einem Harry Potter-Quiz. Wie hieß nochmal der Wirt des magischen Pubs? Die jüngste in der Runde muss nicht lange nachdenken. „Tom!“, und weil jeder der Teilnehmer am Anfang der Tour nach bester Hogwarts-Manier von Alex in eines der vier „Häuser“ aufgeteilt worden war, heißt es nun: Zehn Punkte für Gryffindor!

Wenige Gehminuten von Leadenhall Market entfernt ist der nächste Stopp: die Weinbar „Jamaica Wine House“ in der St. Michael’s Alley. Ungeachtet des Namens war dies tatsächlich das erste Kaffeehaus Londons, das Mitte des 16. Jahrhunderts seine Türen öffnete. Harry Potter wurde hier zwar nie gesichtet, dafür aber die halbe Literaturszene der britischen Hauptstadt, erklärt Alex. Schräg gegenüber befindet sich das Restaurant „George and Vulture“, dessen Geschichte bis ins Jahr 1142 zurückreicht. Charles Dickens (Oliver Twist) war hier Stammgast. JK Rowling hat Dickens Romane in Interviews mehrfach als wichtige Inspirationsquelle bezeichnet.

Dann ist Alex Gruppe endlich am King´s Cross, einem der Bahnhöfe Londons. Ab hier fahren die Züge in Richtung York und Edinburgh. Zu dem berühmten Zug, der die Zauberschüler im Film zu ihrer Schule bringt, gibt es leider keinen Zutritt. Aber zumindest ist der Bahnsteig 9 ¾ zu sehen. Direkt vor dem offiziellen Harry Potter-Fanshop in der großen Halle können Fans vor der berühmten Wand mit Zauberstab und Trolley für Fotos posieren und sich anschließend drinnen mit Harry Potter-T-Shirts, Dobby-Puppen, den Uniformen der verschiedenen Häuser und Süßigkeiten eindecken.

In der Harry Potter-Ecke in King´s Cross ist einiges los. Alex ist mit seiner Zaubertour nämlich nicht allein unterwegs. Es gibt zahlreiche Anbieter, die Preise variieren mitunter erheblich. Einige Veranstalter bieten auch Touren auf Deutsch an. Viele Drehorte liegen so weitläufig auseinander, dass man nicht die Erwartungen haben sollte, sie alle zusammen auf einer einzigen Tour kennenzulernen.

In der Threadneedle Street befindet sich die Bank of England, die im Jahr 1694 gegründet wurde. Sie ist damit die achtälteste Bank der Welt. Die Szenen in Harry Potters Zauberbank wurden allerdings nicht hier, sondern in der australischen Botschaft gedreht. Daher geht Alex an der Bank auch nur vorbei, obwohl sie für Besucher geöffnet ist und sogar ein eigenes Museum hat. Alex Ziel ist stattdessen St. Paul´s Cathedral.

Die mehr als 1400 Jahre alte Kirche ist eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Londons und besitzt echte Star-Qualitäten. Wegen ihrer prominenten Lage und ihrer Bedeutung für die britische Geschichte ist sie in unzähligen Blockbustern zu sehen, und die Harry Potter-Filme reihen sich in die lange Liste nahtlos ein.

Im Vergleich zu St. Paul´s Cathedral ist die City of London School gänzlich unbekannt. Hier drückte der Schauspieler Daniel Radcliffe die Schulbank, bevor er in der Rolle des Harry Potter zum berühmtesten Zauberer der Welt wurde. Nicht gerade zur Begeisterung seiner Eltern übrigens, die ihn lieber weiter hätten pauken sehen. Da Radcliffe zum Zeitpunkt des ersten Filmdrehs aber erst zwölf war, hieß es auch am Set büffeln: „Es gab am Set ein eigenes Klassenzimmer, in dem die Darsteller jeden Tag direkt nach dem Dreh unterrichtet wurden“, erzählt Alex. „Oft blieb keine Zeit, um sich umzuziehen. Daniel Radcliffe, Emma Watson, Rupert Grint und die anderen Kinderdarsteller absolvierten ihre Prüfungen also in ihren Hogwarts-Schuluniformen.“

Wir gehen nun über die Millennium Bridge ans Südufer der Themse, zum Shakespeare’s Globe Theatre. Die Rekonstruktion jenes Schauspielhauses, für das William Shakespeare seine Stücke schrieb, ist nicht nur bei Theaterfans beliebt, sondern auch bei Autogramm- und Selfiejägern. Viele Darsteller aus den Harry Potter-Filmen haben hier schon auf der Bühne gestanden. Einige seiner Gruppen hätten, erzählt Alex stolz, während der Tour auch schon den einen oder anderen Star auf dem Weg zur Probe gesichtet. Vielleicht liegt es am Wetter, leider lässt sich niemand blicken.

Alex ist nun fast am Ende der Tour angekommen, doch am Borough Market wartet noch ein abschließendes Highlight. Der berühmte Markt für Lebensmittel und leckeres Street-Food nahe der London Bridge ist auch ohne Potter-Bezug einen Besuch wert. Filmfans stellen sich bei Tacos El Pastor in die Schlange. Das Lokal, das früher ein Blumenladen namens Chez Michele war, stellte in „Harry Potter und die Gefangenen von Askaban“ den Zauber-Pub „Zum Tropfenden Kessel“ dar.

Wer nach Londons Harry Potter-Attraktionen noch mehr Lust auf Zauberwelt hat, sollte einen Extratag einplanen. Bis Jahresende läuft in Covent Garden eine Fotoausstellung mit hunderten von Backstage-Schnappschüssen vom Set. (harrypotteronlocation.co.uk)

Das absolute Highlight wartet allerdings ein Stück außerhalb der Hauptstadt: Die Warner Bros. Harry Potter Studios in Leavesden zählen zu den größten Filmstudios der Insel und sind ein wahres Wunderland für Harry Potter-Fans. Hier kann man durch die Winkelgasse laufen, den Zug nach Hogwarts aus der Nähe bestaunen, sich im Speisesaal, im Zaubereiministerium und im Büro von Schuldirektor Albus Dumbledore umsehen. Dazu gibt es zahlreiche Einblicke in den Drehalltag, Originalutensilien wie Kostüme und eine Einführung in die Spezialeffekte, die zum Einsatz kamen. Näher kann man Harry und seinen Freunden wohl nicht kommen.

Info

Weitere Drehorte: Vom Bahnhof St. Pancras International, der praktischerweise direkt neben King’s Cross gelegen ist, hob in „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“ der magische Ford Anglia der Weasleys ab. Am Piccadilly Circus wurden Harry, Hermine und Ron beinahe von einem der legendären roten Londoner Doppeldeckerbusse überfahren. Im Reptilienhaus des Londoner Zoos entdeckte Harry im ersten Filmteil sein Talent, mit Schlangen sprechen zu können.

Einkaufen: Das „House of MinaLima“, nahe des Piccadilly Circus, ist ein Mix aus Geschäft und Galerie. Es gehört den Designern Miaphora Mina und Eduardo Lima, die nicht nur die Bücher, sondern auch die Hogwarts-Briefe und Requisiten für die Harry Potter-Filme entworfen haben. Einige Originale sind im „House of MinaLima“ ausgestellt, dazu gibt es jede Menge Harry Potter-Bücher in Sondereditionen zu kaufen, Hogwarts-Notizbücher und noch vieles mehr, das Fanherzen höher schlagen lässt.

 

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